Ein Kardinalfehler ist ein schwerwiegender, grundlegender Fehler. Einer, den ein Kardinal begeht? Oder einer, der
verhindert, dass jemand Kardinal wird? Ein Kardinal ist nach dem Papst einer der wichtigsten Geistlichen der
römisch-katholischen Kirche, laut lateinischer Bedeutung so etwas wie das “Scharnier” zu Gott. Höher kann ein
Mann auf der katholischen Karriereleiter kaum steigen. (Eine Frau ohnehin nicht.) Fehler sollten also tunlichst vermieden werden. Doch Fehler sind ebenso menschlich wie Bischöfe, und genau davon handelt das Stück “Kardinalfehler” von Alistair Beaton und Dietmar Jacobs, das nun in der Komödie im Bayerischen Hof zu sehen ist.
Dieter Fischer spielt einen Bischof, der ein Kind gezeugt hat
Intendant René Heinersdorff hat das kirchenkritische Stück, das 2023 am Theater Trier uraufgeführt wurde, nun nach München ins katholische Bayern gebracht. Ein Wagnis? Eher nicht. Beim Betreten des Zuschauerraums liegt Weihrauch in der Luft, die merkwürdig uninspirierte Bühne ist von stählernen gotischen Bögen geprägt, die Kirchenflair verbreiten sollen, aber eher deplatziert wirken. Inhaltlich bedient das Stück gängige Klischees und bekannte Wahrheiten über die katholische Kirche. Dass ein Bischof in seiner Jugend ein Kind gezeugt hat? Das ist wohl höchstens innerhalb der Kirche ein brisantes Thema und, wie im Stück formuliert, selbst dort ein Routineproblem.
Das Stück möchte viel. Es unternimmt eine imaginäre Reise durch die Skandale der Kirche, von veruntreuten Geldern für luxuriöse Whirlpools in der Bischofsresidenz über Homosexualität im Priesterseminar bis hin zum unehelichen Kind. Das Setting: Der Papst hat seinen Besuch in einem kleinen deutschen Bistum angekündigt, die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, alles soll perfekt und makellos wirken. Die alles bestimmenden Fragen: Schläft der Papst lieber in Baumwoll- oder Seidenbettwäsche? Steht er auf Fleischpflanzerl mit Kartoffelbrei? Und hat er seine eigene Zahnpasta dabei? All dieses Geplänkel ist nur bedingt witzig und zieht sich in die Länge.
Der Vorzeigebischof, gespielt von “Rosenheim-Cop” Dieter Fischer, will sich als aufgeschlossen präsentieren, ganz im Sinne des Papst-Mottos “Jung und Alt vereint im Glauben”. Darum soll Matteo, ein junger Seminarist, die Begrüßungsrede halten. Über den Inhalt allerdings muss noch einmal gesprochen werden, da der Nachwuchs doch ein wenig zu innovativ und offenherzig ist. Fabian Wittkowski spielt ihn als fahriges Bürschlein, das anfangs sehr naiv wirkt.
Zwischen allen wuselt Ursula Maria Burkhart als resolute, aber wenig facettenreiche Haushälterin durchs Geschehen, während Joachim Vollrath als Generalvikar den konservativsten Vertreter des Bistums gibt, der alles fürchtet, was nicht katholisch ist: Feministen, Atheisten, Vegetarier … Alles plätschert ohne Höhepunkte vor sich hin. Nichts ist hier überraschend, alles sehr konstruiert. Und so taucht genau jetzt Emma, die uneheliche Tochter des Bischofs, auf und will sich von all dem Bestechungsgeld einfach nicht zum Schweigen bringen lassen. Katharina Plank spielt sie als eine, die etwas fordert, was dieser scheinheiligen Bagage völlig fremd ist: Gefühl und Vaterliebe. Dieter Fischer hingegen zeigt den Bischof konstant auf demselben Gefühlslevel. Der “Raub” seiner Mütze (für den Vaterschaftstest) entlockt ihm mehr Emotion als das plötzliche Auftauchen seiner Tochter.
Die Figuren bleiben flach wie Oblaten, der Text bietet keine Überraschungen, dafür jede Menge lasche Wortspiele wie “Du kümmerst dich genug um die Jugend, einen Teil der Jugend hast du sogar selbst hergestellt” oder “Es war eine lauwarme Sommernacht in Ruhpolding, es stand nicht nur der Mond”.
Als zeitgleich mit der Tochter der Reisemarschall des Papstes zum Kontrollbesuch aufschlägt, kommt kurz etwas Tempo in die Handlung. Ralf Komorr bringt etwas Leben in die Routinen, ein wirklicher Showdown aber bleibt aus. Die von Emma und Matteo verkörperte “Jugend” hält die Moral und das Ideal einer Kirche, “die für Menschen da ist”, hoch.
Am Ende emanzipiert sich Matteo von seinen korrupten Vorgesetzten, will sich in seiner Rede vor dem Papst nicht nur selbst outen. Dass diese Kirche noch einige Probleme zu lösen hat, bevor “Jung und Alt vereint im Glauben” zusammenstehen, war schon vor diesem Abend klar. Mehr Erkenntnis ist auch danach nicht gewonnen.
Komödie im Bayerischen Hof, bis 11. Mai.