„Rote Rosen“ im Wandel: Neue Vision für eine traditionsreiche Serie
Seit Jahren hing über den beiden ARD-Daily-Soaps „Sturm der Liebe“ und „Rote Rosen“ das sprichwörtliche
Damoklesschwert. Immer wieder wurde die Frage laut, ob die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt sich zwei
kostenintensive Nachmittagsserien langfristig noch leisten könne. Im vergangenen Jahr schien sich diese
Unsicherheit zu konkretisieren: Die ARD verkündete eine Kürzung der Sendezeit beider Formate. Doch dann die
überraschende Kehrtwende – beide Serien behalten ihre gewohnte Laufzeit von etwa 48 Minuten pro Folge, und es kam sogar zur Vertragsverlängerung bis 2027. Eine Entscheidung, die für große Erleichterung bei den Produktionsfirmen sorgte.
Während „Sturm der Liebe“ weiterhin unter der Federführung von Bavaria Fiction produziert wird, liegt die Verantwortung für „Rote Rosen“ bei der Studio Hamburg Serienwerft. Deren Geschäftsführer Jan Diepers, der die Serie nun seit beinahe fünf Jahren betreut, nutzte die aktuelle Drehpause in Lüneburg für einen umfassenden Neustart – sowohl technisch als auch inhaltlich. Gegenüber DWDL.de erklärte er, dass die Pause genutzt wurde, um das Studio nahezu vollständig zu entkernen. Das Ziel: frischer Look, moderne Technik und neue kreative Wege.
Studio, Licht, Kamera – alles auf Anfang
Eine der auffälligsten Neuerungen betrifft die Ausstattung der Sets. Die Dekorationen wurden vollständig umgebaut, sodass künftig nahezu in jede Richtung gedreht werden kann. Ein bedeutender Schritt, um mehr Flexibilität bei der Inszenierung zu gewinnen. Auch die Kameratechnik wurde auf den neuesten Stand gebracht, um aufwendigere und abwechslungsreichere Szenenbilder zu ermöglichen.
Besonders markant ist der neue Umgang mit Licht. Diepers berichtet von einem radikalen Wechsel hin zu natürlicher Ausleuchtung: „Wir wollen uns vom künstlichen Studiolicht lösen und mit natürlichem Licht arbeiten – das verleiht der Serie mehr Authentizität.“ Der Einsatz von Schatten und Lichtstimmungen eröffnet neue erzählerische Möglichkeiten und reduziert gleichzeitig den Stromverbrauch drastisch. Laut Diepers konnte der Energieverbrauch im Vergleich zum Dezember um rund 90 Prozent gesenkt werden – ein beachtlicher Fortschritt auch im Sinne der Nachhaltigkeit.
„Rote Rosen“ neu gedacht – nicht nur fürs Fernsehen
Ein zentrales Ziel des Umbaus ist es, „Rote Rosen“ künftig nicht mehr ausschließlich als lineares TV-Format für den Nachmittag zu verstehen. Stattdessen richtet sich der Fokus stärker auf die ARD-Mediathek, wo die Serie bereits heute eine treue Zuschauerschaft verzeichnet. Die Idee: eine hochwertig produzierte Serie, die sich stilistisch an Vorabendformate anlehnt, dabei jedoch kostengünstiger pro Minute produziert wird.
Um dieses Ziel zu erreichen, wurde auch die inhaltliche Struktur überarbeitet. Die Erzählweise soll variabler und dynamischer werden. Bislang war die Serie dramaturgisch sehr einheitlich aufgebaut, mit rund eineinhalb Minuten langen Szenen. Dank neuer Technik ist es nun möglich, mehr Szenen pro Folge zu produzieren – inklusive kürzerer, pointierter Sequenzen, die den Rhythmus der Erzählung auflockern.
Ein neuer Erzählansatz bringt auch Veränderungen bei den Figuren mit sich. Zwar bleibt die zentrale Protagonistin wie gewohnt eine Frau um die 40, doch künftig wird es zusätzlich eine jüngere Hauptfigur geben. Themen wie Schwangerschaften und junge Beziehungen sollen auf diese Weise mehr Raum erhalten.
Frauenpower hinter den Kulissen
Auch personell geht die Serie neue Wege. Ein rein weibliches Kreativteam übernimmt künftig die inhaltliche Verantwortung: Theresa Schwarz fungiert als Writer Producer, Britta Öding übernimmt die Chefautorin-Rolle und Annette Herre wird Supervising Director. Zudem wurden neue Director of Photography-Positionen mit frischen Gesichtern besetzt, da die bisherigen Teammitglieder in den Ruhestand gegangen sind.
Eine weitere strukturelle Veränderung betrifft die Regie. Künftig wird jede Folge nur noch von einem Regisseur oder einer Regisseurin betreut – früher waren es zwei, die parallel mit zwei Drehteams arbeiteten. Diese Umstellung bringt zwar logistische Herausforderungen mit sich, sorgt aber für eine einheitlichere künstlerische Handschrift.
Digitalisierung und KI in der Postproduktion
Auch in der Nachbearbeitung geht „Rote Rosen“ neue Wege. Die Produktion setzt verstärkt auf cloudbasierte Arbeitsabläufe und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Bereits seit letztem Jahr arbeiten die Autorenteams vollständig in der Cloud. In der Postproduktion hilft KI mittlerweile dabei, Tonspuren mit Bildmaterial zu synchronisieren.
Zukunftsweisend ist ein weiteres KI-Projekt: Ein System wird aktuell entwickelt, das inhaltliche Bewertungen von Szenen vornehmen kann. Die Vision: Die KI soll dem Schnittteam Vorschläge liefern, welche Szenen sich besonders gut für Rückblenden oder die typischen Episoden-Rückblicke eignen. Dieses System befindet sich derzeit noch in der Beta-Phase, hat aber großes Potenzial, die Effizienz der Produktion weiter zu steigern.
Vergangenheitsbewältigung und neue Perspektiven
Dass so viele umfassende Änderungen auf einmal möglich waren, hat mehrere Gründe. Zum einen sorgte die ARD-Verlängerung für Planungssicherheit, zum anderen war der Produktionsvorlauf zuletzt ungewöhnlich lang – rund neun Monate. Diese Reserve war ursprünglich entstanden, weil man intern bereits mit einer möglichen Absetzung rechnete. In der Vergangenheit hatte man in Pausen weiterproduziert, um im Falle einer Einstellung zügig aus dem Studio ausziehen zu können – aus Kostengründen, denn die Studiomiete in Lüneburg ist einer der größten Budgetposten.
Doch diese Zeiten sind nun vorbei. Die Dreharbeiten sind bis 2027 gesichert. Der lange Vorlauf soll nun sukzessive abgebaut werden, weshalb aktuell auch keine neuen Folgen gedreht werden. Gleichzeitig öffnet dies die Tür für einen Neustart ohne Altlasten. Die Wintermonate werden künftig zudem weniger stark für Drehs genutzt, was nicht nur den Vorlauf weiter reduziert, sondern auch mehr Sommerbilder in die Serie bringen soll – zur Freude der Zuschauerinnen und Zuschauer.
Investition in die Zukunft
Die Umstrukturierung der Serie ist mit erheblichen Investitionen verbunden. Zusammen mit dem Technikpartner Eurolight, der sich unter anderem um Licht und Personal kümmert, hat die Serienwerft in den letzten Wochen über eine halbe Million Euro in die Modernisierung gesteckt. Für Diepers ist das ein klares Zeichen des neuen Selbstbewusstseins: „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit den Veränderungen nicht nur unser Stammpublikum begeistern, sondern auch neue Zielgruppen über die Mediathek erreichen können.“
Ob sich dieser ambitionierte Wandel auszahlt, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Die neuen Folgen von „Rote Rosen“ starten im Oktober – dann wird sich zeigen, ob die Neuaufstellung dem Format neuen Schwung verleihen kann.